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PRESSEMITTEILUNG 31 Chemnitz, den 18.01.2001
Stellungnahme der Stadt Chemnitz
zum beabsichtigten Bürgerbegehren "Stoppt Schulschließungen!"
mit dem folgenden Pressedienst übersendet Ihnen die Pressestelle der Stadt Chemnitz den Wortlaut des vom 1. Stellvertreter des OB, Frank Motzkus mit Datum vom 18.01.2001 an den Kreiselternrat Chemnitz gerichteten Schreibens:
An die Initiatoren des Bürgerbegehrens
„Stoppt Schulschließungen!“
Herrn Thomas Fenner
Hölderlinstraße 15
09114 Chemnitz-Borna
Stellungnahme der Stadt Chemnitz zum beabsichtigten Bürgerbegehren „Stoppt Schulschließungen!“
Sehr geehrter Herr Fenner,
Sie beabsichtigen als Vertreter einer Bürgerinitiative ein Bürgerbegehren „Stoppt Schulschließungen!“ durchzuführen.
Der Oberbürgermeister hat mich beauftragt, Ihr Vorhaben an Hand der von Ihnen veröffentlichten Unterlagen einer rechtlichen Vorabprüfung zu unterziehen und Ihnen eine vorläufige Einschätzung zu übermitteln.
Da die Stadt Chemnitz ernsthafte Zweifel an der Umsetzbarkeit dieses Vorhabens hat, sollen diese nachfolgend anhand des zur Beurteilung stehenden Sachverhaltes darlegt werden verbunden mit der Bitte, dies nicht als unzulässige Einflussnahme auf die Meinungsbildung der Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger zu werten.
Nach Einschätzung der Stadt Chemnitz kann das Bürgerbegehren nicht umgesetzt werden. Begründet wird dies wie folgt:
Die Stadt Chemnitz wurde durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus aufgefordert, bis zum Ende des Jahres 2000 eine abschließende Schulnetzplanung vorzulegen. Der Stadtrat der Stadt Chemnitz hat in seiner Sitzung vom 6. Dezember 2000 - Beschluss Nr. B-541/00 - unter Berücksichtigung des neues Gebietsstandes, der aktuellen Bevölkerungsprognose und der rückläufigen Schülerzahlen daraufhin die Schulnetzplanung für die Grundschulen und Mittelschulen der Stadt Chemnitz bis zum Jahr 2010 beschlossen.
Diese Rahmenplanung bildet nun die Grundlage für die Aufhebungen von Grund- und Mittelschulen, wobei ich darauf hinweisen darf, dass es sich dabei um keine abschließende Schulnetzplanung handelt, sondern diese auf einer Prognose beruht und daher ohnehin künftigen Entwicklungen angepasst werden muss.
Für jede einzelne aufzuhebende Grund- oder Mittelschule bedarf es noch eines zusätzlichen Einzelbeschlusses des Stadtrates, der erst nach Abstimmung mit dem Regionalschulamt und Anhörung der betroffenen Schule erfolgt. Bei der Entscheidung wird dabei im besonderen Maße auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abgestellt und die für und wider die Schließung der jeweiligen Schule sprechenden öffentlichen und privaten Belange in die Abwägung einbezogen.
Des Weiteren bedarf ein Beschluss zur Aufhebung einer Schule gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 SächsSchulG der Zustimmung des Staatsministeriums für Kultus als oberste Schulaufsichtsbehörde. Diese Zustimmung wird nur dann erteilt, wenn das Ministerium feststellt, dass ein öffentliches Bedürfnis an der Erhaltung der Schule nicht mehr besteht.
Dies zugrunde gelegt, wurden in der Sitzung des Stadtrates vom 10. Januar 2001 die ersten notwendigen Schulschließungen durch die Stadt Chemnitz beschlossen.
Sie beabsichtigen als Vertreter der Bürgerinitiative „Stoppt Schulschließungen!“ nunmehr ein Bürgerbegehren einzureichen mit dem Antrag, einen Bürgerentscheid über die Frage zuzulassen:
„Sind Sie dafür, dass durch die Stadt Chemnitz alle in ihrer Trägerschaft befindlichen Schulen uneingeschränkt fortgeführt werden, für die der Stadtrat vor dem 10. Januar 2001 keinen konkreten Schulaufhebungsbeschluss gefasst hat und bei welchen ohne äußere Einflussnahme die vorgeschriebenen Mindestschülerzahlen (z. B.: 15 Grund- bzw. 16 Mittelschüler/Klasse) und Mindestzügigkeiten nicht mehrfach unterschritten werden?“
Die Bedenken der Stadt Chemnitz stützen sich darauf, dass dieses Bürgerbegehren bzw. ein nachfolgender Bürgerentscheid, einmal abgesehen davon, ob überhaupt die strengen formellen Voraussetzungen nach § 25 SächsGemO für ein derartiges Begehren vorliegen, nicht vollzogen werden kann.
Unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen gibt es für die Stadt Chemnitz keine Möglichkeit, alle in ihrer Trägerschaft befindlichen Schulen uneingeschränkt fortzuführen, auch nicht diejenigen, bei denen die Mindestschülerzahlen nicht mehrfach unterschritten werden.
Gemäß § 21 Abs. 2 SächsSchulG ist die Stadt Chemnitz als Schulträger nur dann berechtigt und verpflichtet, eine öffentliche Schule einzurichten und fortzuführen, wenn ein öffentliches Bedürfnis hierfür besteht.
Kriterien zur Abwägung, ob ein öffentliches Bedürfnis besteht, sind insbesondere die Bevölkerungszahl, die Anzahl der schulpflichtigen Kinder aber auch die Schulstrukturen in den angrenzenden Nachbargemeinden.
Wenn bereits der Klassenrichtwert bei Grundschulen von 25 Schülern unterschritten wird und die Schüler-Lehrer-Relation daher landesweit gefährdet wird, ist das öffentliche Bedürfnis zur Errichtung/Fortführung von Schulen laut Mitteilung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus schon kritisch zu prüfen. Dieser Klassenrichtwert darf nur ausnahmsweise unterschritten werden, wobei von wenigen Ausnahmen abgesehen die Mindestschülerzahl 15 beträgt.
Hinzu kommt, dass bei Mittelschulen das öffentliche Bedürfnis für die Einrichtung einer Klassenstufe erst dann als gegeben anzusehen ist, wenn sich mindestens 50 Schüler für diese entschieden haben.
Das von Ihnen in Ihrem Antrag benannte Kriterium der nicht mehrfachen Unterschreitung der vorgeschriebenen Mindestschülerzahlen (15 Grund- bzw. 16 Mittelschüler/Klasse) stellt demnach kein sachgerechtes Kriterium zur Feststellung, ob ein öffentlichen Bedürfnisses besteht oder nicht, dar.
Sollte die Stadt Chemnitz Ihrer Intention folgen und die zur Schließung vorgesehene Schulen fortführen, wird das Sächsische Staatsministerium für Kultus feststellen, dass ein öffentliches Bedürfnis für die Fortführung dieser Schulen aufgrund von sinkenden Schülerzahlen nicht mehr besteht und die Mitwirkung des Freistaates Sachsen an der Unterhaltung der betreffenden Schulen, d. h., an der Kostenbeteiligung und der Bereitstellung von Lehrkräften auf der Grundlage des § 24 Abs. 3 SächsSchulG widerrufen.
Das Sächsische Staatsministerium für Kultus hat bereits für eine Anzahl von Schulen gegenüber der Stadt Chemnitz festgestellt, dass ein öffentliches Bedürfnis nicht mehr gegeben ist und den Mitwirkungsentzug angekündigt. In diesen Fällen wäre ein Bürgerbegehren ohnehin nicht zulässig, da letztendlich die Feststellung des Bedürfnisses nämlich in der Zuständigkeit eines Dritten, der obersten Schulaufsichtsbehörde, liegt.
Die Stadt Chemnitz unternimmt alles ihr Mögliche, um drohende Schulschließungen zu verhindern. Nach Prüfung allen Für und Wider ist der Wegfall des öffentlichen Bedürfnisses bei einigen Schulstandorten jedoch nicht wegzudiskutieren. Der Stadt Chemnitz sind insoweit die Hände gebunden.
Allein aus eigener Kraft kann die Stadt Chemnitz die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortführung aller ihrer Schulen nicht erfüllen, so dass in jedem Fall Schulschließungen vorgenommen werden müssen, nur mit dem Unterschied, dass im Falle eines Bürgerentscheids die Entscheidung über die Fortführung der Chemnitzer Schulen der obersten Schulaufsichtsbehörde überlassen wird, indem die Mitwirkung des Freistaates Sachsen widerrufen wird und die Schulen damit mangels finanzieller Mittel und fehlender Lehrkräfte geschlossen werden müssen.
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen in die Zuständigkeit des Freistaates Sachsen fällt, d. h., dass dieser in erster Linie für die Entsendung von Lehrpersonal und die Bereitstellung finanzieller Mittel zuständig ist und die Stadt Chemnitz lediglich für die Errichtung und Erhaltung der Schulgebäude, Schulräume und der Lehrmittel der Schule. Der Stadt Chemnitz ist es untersagt, selbst Lehrkräfte einzustellen, da sie nicht Träger von Schulen in freier Trägerschaft sein darf. Im Ergebnis könnte allenfalls die Bauhülle der entsprechenden Schulen erhalten werden, ohne dass jemand einen Nutzen davon hätte.
Wenn man aber die Entscheidung darüber, welche Schulen fortgeführt werden und welche nicht, der obersten Schulaufsichtsbehörde überlässt, verzichtet die Stadt Chemnitz damit weitgehend auf ihre Gestaltungsmöglichkeit. Diese für die Stadt Chemnitz wichtige Einflussmöglichkeit sollte nicht preisgegeben werden.
Da mit der Zielrichtung des Bürgerbegehrens demzufolge nicht eine einzige Schulschließung verhindert werden kann, wird bereits aus diesem Grunde die Durchführung eines Bürgerbegehrens nicht für umsetzbar gehalten.
Der Stadtrat mit seinem Schulausschuss und die Stadtverwaltung der Stadt Chemnitz haben auch in einer gründlichen, seriösen und vertrauensvollen Zusammenarbeit die Schulnetzplanung bis zum Jahr 2010 beschlossen.
Zu dieser bekennt sich die Stadt Chemnitz, weil sie der Überzeugung ist, dass hiermit unter Berücksichtigung der Interessen der Eltern und Schüler aus schulpolitischer Sicht ein größtmöglicher Konsens gefunden wurde. Durch eine Aufhebung der Schulnetzplanung würde dieses alles aufgegeben, was aus den dargelegten Gründen im Ergebnis für nicht vertretbar gehalten wird.
Selbstverständlich respektiert die Stadt Chemnitz die Möglichkeit der Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger über ein Bürgerbegehren und einen nachfolgenden Bürgerentscheid im Wege der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene an der politischen Willensbildung teilzunehmen, allerdings muss ein derartiges Begehren unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben auch realisierbar sein, was vorliegend aus den dargelegten Gründen zumindest ernsthaft in Zweifel gezogen werden muss.
Mit freundlichen Grüßen
Motzkus
1. Bürgermeister
Stadt Chemnitz