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PRESSEMITTEILUNG 628 Chemnitz, den 22.10.2001
Drei Preise verliehen zur „Schlingel-Kinderfilmschau“
Traditionsgemäß gibt es in Chemnitz eine Kinderjury, die unbeeinflusst von Erwachsenen den Preis der Freien Presse in Höhe von 5.000 DM vergeben konnte. Die Kids waren begeistert vom dänischen Film "Panik im Koboldland", erwähnten aber auch lobend den russischen Film "Der Präsident und seine Enkelin".
Die Jugendlichen prämierten mit dem Preis des Cinestars in Höhe von 2.000 DM den tschechischen Film "Der Lebensborn", der die Schicksale junger Mädchen im dritten Reich beschreibt, die von den Nazis zum Projekt Lebensborn -der Zucht sogenannten rassereinen Nachwuchses - gepresst wurden. Der Film konnte auch bei heutigen Jugendlichen große Anteilnahme auslösen und Wichtiges zum Geschichtsverständnis beitragen. Zu Recht eine preiswürdige Produktion!
Und so ließ sich vor allem feststellen, dass es in Chemnitz zusehends gelungen ist, ein sachverständiges junges Publikum zu entwickeln, das kritisch an die neuesten Filmaufführungen herangeht, sie untersucht und nutzt. Dies ist ein Verdienst des Sächsischen Kinder- und Jugendfilmdienstes e.V., dem Veranstalter der Schlingel-Schau. Nicht selten finden sich unter denen, die hier Interesse gefunden haben, einige, die selbst Lust bekommen Film und Video zu gestalten und dann zum Beispiel die Chemnitzer Filmwerkstatt e.V. nutzen. Auf diese Weise erhält die Stadt Chemnitz ein Potential von Film- und Video-Nachwuchs, das sich auch für die Stadt und ihren Ruf einmal bezahlt machen wird. Großes Ansehen hat sich die Stadt auch international auf Filmtreffen mit dem auf der Berlinale ausgezeichneten Kurzfilm "forbidden fruits" der Chemnitzer Filmwerkstatt e. V. erwerben können.
Die Stadt Chemnitz stiftete zum ersten Mal einen Preis in Höhe von 10.000 DM, der von einer Fachjury vergeben wurde. Einstimmig fiel die Wahl auf den italienischen Film "Iris". Er erzählt von der sechsjährigen Maria auf einer süditalienischen Insel, die erst den Geburtstag der Mutter vergessen hat und es sich dann in den Kopf setzt, der Mutter unbedingt einen Strauß Iris zu schenken. Ihr Geld reicht nicht, und so macht sie sich auf den Weg entlang der Küste zum Leuchtturm, um Geld von ihrem Vater zu holen. Maria ist dickköpfig und versteht es, ihren Willen durchzusetzen. Bei diesem Geburtstag bekommt die Mutter zum Schluss mehr Blumen, als Vasen zur Verfügung stehen.
Das Besondere an diesem Film ist die Geschichte aus der Sicht von Maria. Meist muss sie die Tiraden und unverständlichen Verhaltensweisen der Erwachsenen über sich ergehen lassen. Das hindert sie aber nicht, sich zielstrebig eigenen Raum und Aufmerksamkeit zu schaffen und vor allem auch eigenen Geschmack zu entwickeln. Sie weiß in dieser Welt selbstbewusst zu bestehen und ihre eigene Persönlichkeit zu behaupten. Das machte nicht nur den Kindern im Zuschauerraum Spaß und Mut, sondern überzeugte auch die Fachjury, die zusätzlich den russischen Film "Der Präsident und seine Enkelin" und den iranischen Film "Choori" mit lobenden Erwähnungen ausstattete. So entstand rundum der Eindruck einer gelungenen Sache, auf die man in Chemnitz nicht nur stolz sein kann, sondern die auch mit Begeisterung weitergeführt und ausgebaut werden sollte.
Vater und Tochter Grimaldi zu Gast in Chemnitz
Die begeisternde Hauptdarstellerin des Films "Iris" Arancia Cecillia Grimaldi (9) und ihr Vater Aurelio Grimaldi (43), der Regisseur des Films, kamen kurzfristig nach Chemnitz, um den Hauptpreis in Empfang zu nehmen.
Die Familie Grimaldi - die Mutter schrieb das Drehbuch mit und half bei der Organisation, die Geschwister waren im Film als Komparsen zu sehen - wohnt und arbeitet in Palermo. Aurelio Grimaldi schrieb mit Erfolg Drehbücher und beschloss daraufhin 1991 Regisseur zu werden. "Iris", im Jahre 2000 gedreht, ist sein siebenter und bisher einziger Film für Kinder bzw. die ganze Familie. Bislang ist er mit heftig diskutierten Filmdramen zum Thema Sexualität und Freiheit in Erscheinung getreten, sei es zum Leben von Pier Paolo Pasolini oder der Geschichte einer unabhängigen Frau, die Männer für eine Nacht zu erobern und anschließend abzulegen pflegt, sei es das Leben einer Rebellin aus dem Erziehungsheim oder über ein ungewöhnliches Showgirl in Liebesaffaire mit einem Fleischer. Aurelio Grimaldi schneidet z. Z. seinen 8. Film und bereitet seinen 9. vor, eine Neuverfilmung von "Mama Roma", eine "Mama Neapel". Er ist ein engagierter Linksintellektueller, der seinen Beruf als das große Glück bezeichnet, wichtige Geschichten erzählen zu können. Der Chemnitzer Preis ist sein fünfter Preis. "Iris" lief auf zahlreichen Festivals unter anderem in Korea, der Schweiz, in Belgien, Frankreich, Schweden und in Tschechien. Prämiert wurde er aber erst in Chemnitz. Aurelio Grimaldi gefällt die Ordnung und Sauberkeit deutscher Städte, leben möchte er aber doch lieber im süditalienischen Chaos, dem Schauplatz seiner Filme und seines Lebens: Sizilien, wohin er mit zwanzig kam und das er lieben lernte, als er sich in eine Sizilianerin verliebt hatte.
"Iris" wurde in fünf Wochen gedreht, wobei die siebenjährige Arancia bis zu 4 Stunden am Tag bereit war mitzuwirken, durchaus kritisch der Filmarbeit gegenüber stand, aber sich dem Familienprojekt nicht entziehen wollte. Jetzt fragt sie schon einmal nach einer neuen Rolle, wenn sie nicht zu viel Arbeit macht. Wie ihre Mutter wäre sie gern Lehrerin, schließt aber auch Naturforscherin oder Kriminalautorin nicht aus. Nur Schauspielerin ist ihr im Prinzip zu anstrengend. Das Preisgeld verwendet Aurelio Grimaldi für einen Weihnachtsfamilienurlaub und für einen Drehbuch-Wettbewerb spannender Filmgeschichten unter den Kindern eines Erziehungsheims, in dem seine Frau arbeitet.
Im Dezember wird der Film als Familienangebot in die italienischen Kinos kommen; das wäre auch den deutschen Familien zu wünschen. Vielleicht ist die gute Aufnahme in Chemnitz eine kleine Hilfestellung.
Das Schlingel-Filmfestival hat seine Chance für eine interessante Schau neuester Produktionen genutzt und Fans begeistert, die sich schon auf den 7. Schlingel im Jahre 2002 freuen.
Hinweis für Redaktionen: Das Kinderfilmfestival fand vom 01. Bis 14. Oktober 2001 in Chemnitz statt. Autor des Beitrages ist Herr Egmont Elschner, Mitglied der Fachjury zur 6. Chemnitzer Kinderfilmschau "Schlingel", Sachverständiger für Film und Medien im Kulturbeirat der Stadt Chemnitz.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an das Kulturamt der Stadt Chemnitz.
Stadt Chemnitz