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PRESSEMITTEILUNG 344 Chemnitz, den 24.05.2002
Neue Synagoge Chemnitz heute feierlich eingeweiht
in Anwesenheit prominenter Ehrengäste
Das Bauvorhaben neue Synagoge Chemnitz wurde gefördert mit 3 Millionen DM vom Freistaat Sachsen, mit 5,3 Millionen DM von der Stadt Chemnitz, mit 500.000 DM vom Förderverein Bau der Neuen Synagoge Chemnitz e.V. und durch Eigenmittel der Jüdischen Gemeinde Chemnitz. Entstanden ist ein Neubau, der akzentuiert auch einen architektonischen Blickfang setzt, gebaut nach Plänen und unter Bauleitung des Architekturbüros Prof. Alfred Jacoby, Frankfurt am Main. Mit der architektonischen Qualität dieses modernen Sakralbaus setzt sich der bereits in der Innenstadt von Helmut Jahn (Galeria Kaufhof) und Hans Kollhoff (Galerie Roter Turm) verwirklichte Anspruch an der Stollberger Straße fort.
Die neue Synagoge mit Gemeindezentrum liegt erhöht über der Stollberger Straße: die horizontal betonten Baukörper beherbergen den weltlichen Teil der Anlage. Aus ihnen tritt vertikal als markantes Zeichen die Synagoge hervor. Sie ist als eine konische Ellipse zur Stadt (gen Osten) gerichtet und empfängt den Besucher als eine leuchtende Krone – dem neuen Wahrzeichen jüdischer Existenz in Chemnitz. Bereits in den Tagen vor der festlichen Weihe wurde vor der Synagoge das Geschenk der Stadt Chemnitz an die Jüdische Gemeinde installiert: die eindrucksvolle Holzskulptur „Tor“ von Prof. Hans Brockhage, renommierter Holzbildhauer aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg.
Oberbürgermeister Dr. Peter Seifert, der in seinem heute an die Gäste der Einweihung der Synagoge gerichteten Grußwort auch davon sprach, dass „wir uns in einem Gebäude befinden, dessen Vollendung einen besonderen Punkt in der Erneuerungsgeschichte unserer Stadt markiert“ überreichte auch eine Abbildung des „Tor“ an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Chemnitz Siegmund Rotstein und verwies in diesem Zusammenhang u.a. auch darauf, dass der Beitrag der Stadt Chemnitz zu diesem Neubau kein großzügiges Geschenk sei, sondern vielmehr Ergebnis einer richtig verstandenen Verantwortung für die Vergangenheit und Gegenwart sowie Mitverantwortung für die Zukunft. In diesem Sinne wolle er auch das Geschenk der Stadt verstanden wissen, betonte der Oberbürgermeister und verwies auf den tieferen Sinn der Holzskulptur “Tor” mit seiner schützenden Funktion und der Möglichkeit zuzuschließen. Die Stadt reiche das Tor als ein Geschenk und in der Hoffnung, dass dieses Tor auch für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer weit geöffnet sein möge.
Hinweis für Redaktionen: Den Wortlaut der von OB Dr. Peter Seifert und Siegmund Rotstein, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Chemnitz an die Gäste der Einweihung der Synagoge Chemnitz gerichteten Grußworte erhalten Sie in der Anlage. Beachten Sie bitte den Hinweis: „Es gilt das gesprochene Wort!“.
Festliche Einweihung und prominente Ehrengäste
Der Einladung des Chemnitzer Oberbürgermeisters Dr. Peter Seifert und des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Chemnitz Siegmund Rotstein zur festlichen Einweihung des neuen jüdischen Gotteshauses in Chemnitz waren 11:00 Uhr zahlreiche Ehrengäste sowie Mitglieder des Bundestages und des Sächsischen Landtages gefolgt. Prominente Gäste in der neuen Synagoge Chemnitz waren:
Herr Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland,
Herr Prof. Georg Milbradt, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen,
Herr Peter Nötzold, Oberlandeskirchenrat, Ev.-luth. Landeskirche Sachsen,
Herr Bernhard Gaar, Dekan der katholischen Kirche in Chemnitz,
Herr Dr. Thomas Schuler, Vorsitzender des Fördervereins "Bau Synagoge Chemnitz",
Prof. Alfred Jacoby, Architekt,
Herr Mordachey Lewy, Gesandter der Botschaft des Staates Israel,
Herr Erich Iltgen, Präsident des Sächsischen Landtags,
Herr Thomas de Maizière, Justizminister des Freistaates Sachsen
Begonnen hatte die Feier mit dem Einzug der Thora-Rollen unter der Chuppa, musikalisch begleitet vom Robert-Schumann-Quartett: Erst durch den Einzug der Thora-Rollen wird ein Synagogengebäude zu einer wirklichen Synagoge.
Die Thora-Rollen wurden aus dem bisherigen Gottesdienstraum in der Jägerstraße zur neuen Synagoge an der Stollberger Straße gebracht und unter einem Baldachin (Chuppa) in das Gebäude geführt – dieser Baldachin ist das Symbol für das Heim und den göttlichen Geist.
Die anschließende Prozession um die Bima, die Kanzel – ein Symbol für den Altar im Tempel des jüdischen Volkes – erfolgt gemäß der Tradition sieben Mal: Die Sieben ist eine mystische Zahl, die man in verschiedenen biblischen Büchern wiederfindet. Die Prozession um die Bima wurde mit dem Gesang des Chores und der Gemeinde begleitet.
In der festlichen Zeremonie folgte dann das Einheben der Thora in den Aron hakodesch (die heilige Lade) und das Schließen des Thora-Schreins Aron hakodesch, begleitet vom Gesang und Gebet des Landesrabbiners Salomon Almekias-Siegl und des Chores. Nach dem Schließen des Aron Hakodesch entzündete der Landesrabbiners das „Ewige Licht“ (Ner Tamid), das Gottes Anwesenheit symbolisiert.
Nach der Feierstunde lud der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz zum Empfang in den Gemeindesaal einlad, zuvor brachte Landesrabbiner Salomon Almekias-Siegl die Mesusa am Eingang des Gemeindesaals an. Die Mesusa ist ein Türpfostensymbol in jedem jüdischen Haus – das Gesetz der Mesusa stammt aus der Thora, danach sind Juden verpflichtet, die den Wohnort schützende Mesusa an jeder Zimmertür (außer Bad, WC) anzubringen.
Aus der umfangreichen Liste der während des Festaktes in der Synagoge das Wort ergreifenden Redner seien an dieser Stelle genannt: Herr Siegmund Rotstein, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, Dr. Peter Seifert, Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz, Herr Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und Prof. Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen.
Der Chemnitzer Oberbürgermeister verwies in seiner Rede insbesondere auch auf die geschichtlichen Ereignisse während der Zeit des Faschismus auch in Chemnitz und die daraus erwachsende Verantwortung für die heutige Generation, auf den „Weg von der Zerstörung der alten zu unserer heutigen Einweihung einer neuen Synagoge“.
Einladung in die Synagoge zum Tag der offenen Tür am 26. Mai 2002
Aus der Vielzahl der die Weihe der neuen Synagoge begleitenden Veranstaltungen bis Juni 2002 sei an dieser Stelle insbesondere auch auf den Tag der offenen Tür in der neuen Synagoge in Chemnitz am Sonntag, dem 26. Mai 2002 von 11:00 bis 17.00 Uhr verwiesen. Die erste Veranstaltung im neuen jüdischen Gemeindezentrum steht am Montag, dem 27. Mai 2002, 16:30 Uhr im Veranstaltungskalender mit der szenischen Lesung aus dem Tagebuch der Anne Frank durch Chemnitzer Schüler, veranstaltet vom Evangelischen Schulzentrum.
Jüdische Gemeinde Chemnitz in freudiger Erwartung –
Synagogen-Weihe besonderes Ereignis für Siegmund Rotstein
Als der im November 1925 geborene Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz Siegmund Rotstein in der Nacht des 9. November 1938 vor der brennenden Synagoge auf dem Stephanplatz stand, dürfte neben all den Schrecken, den die angegriffenen Juden in dieser Nacht in allen deutschen Städten spüren mussten, der Gedanke an seine verhinderte würdige Aufnahme in die Erwachsenenwelt am stärksten seine Empfindungen geprägt haben. Man wird nicht weit von der Wahrheit entfernt sein, wenn man unterstellt, dass die am 24. Mai 2002 vollzogene Einweihung der Synagoge auf dem Kappellenberg für Siegmund Rotstein auch so etwas wie eine persönliche moralische Entschädigung bedeutet – und die hat der Mann, der im Mai 1945 aus Theresienstadt nach Chemnitz zurückgekommen war und maßgeblich für den Erhalt der Gemeinde sowie für das Projekt des Synagogenbaus verantwortlich zeichnet, auch redlich verdient.
Seit März schon läuft in Chemnitz eine Fülle von Veranstaltungen, die den Festakt vom 24. Mai als Rahmenprogramm eingeleitet haben. Heute war es nun endlich so weit: In Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Freistaates, des Präsidenten des Zentralrats der Juden und vieler weiterer prominenter Gäste nahm Siegmund Rotstein, dem die Initiationsfeier auf dem Kaßberg nicht vergönnt wurde, den Schlüssel des neuen Areals für quirliges jüdisches Leben in Chemnitz entgegen. Es ist wohl das wichtigste Anliegen aller Beteiligten, dass keiner der heranwachsenden jüdischen Chemnitzer je eine ähnliche Erfahrung durchmachen muss.
Vom Kaßberg auf den Kappellenberg
Die wohlhabende und von ihren Anfängen in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts an liberale alte „Israelitische Religionsgemeinde“ zählte vor dem nationalsozialistischen Ausrottungszug 3500 Mitglieder, 57 von ihnen kehrten nach dem Krieg in das zerstörte Chemnitz zurück. Zunächst trafen sie sich am selben Ort, an dem heute die neue Synagoge steht – das Grundstück in der Stollberger Straße erhielt die Gemeinde von der Stadt im Tausch gegen die zerstörte Synagoge auf dem Kaßberg und das ehemalige Gemeindeamt in der Hohen Straße. Dort beging die mit den Jahren immer weiter schrumpfende Gemeinde ihre Feiern und Feste, in dem Betraum waren die Thorarollen untergebracht, die dann in die Behausung in der Jägerstraße hinüberwechselten, und die schließlich zu Beginn des feierlichen Aktes am heutigen 24. Mai 2002 in der neuen Synagoge Einzug gehalten haben.
Jüdische Gemeinde zählt wieder über 500 Mitglieder
Die Wendezeit brachte für die Chemnitzer Juden eine besonders dramatische Wende mit sich. Mit der von der ersten frei gewählten und zugleich letzten Volkskammer der DDR ausgesprochenen Bitte um Entschuldigung an die Juden in der Welt für das ihnen vom NS-Staat zugefügte Unrecht und der damit verbundenen Einladung an verfolgte Juden setzte eine Zuwanderungswelle aus der ehemaligen Sowjetunion an, die der Gemeinde bis heute einen Zuwachs von über 500 Mitgliedern bescherte. Bald platzte das Gebäude in der Jägerstraße aus allen Nähten. Die Stadt Chemnitz erkannte das Problem und der Stadtrat beschloss in seiner Sitzung vom 12. Januar 2000 die nötige Finanzierungsbasis für das Bauprojekt einer neuen Synagoge mit Gemeindezentrum in Höhe von etwa 5 Millionen DM. Die zweite Hälfte steuerte der Freistaat Sachsen bei, zusätzliche Gelder wurden dann vom eigens dafür gegründeten Förderverein Bau der Synagoge Chemnitz mobilisiert.
Veranstaltungen begleiten die Einweihung der neuen Synagoge
Mit einer Auflage von 10.000 Stück hatte bereits im März 2002 der unter Leitung von Dr. Thomas Schuler wirkende Förderverein Bau der Synagoge Chemnitz e.V. einen Veranstaltungskalender herausgegeben, der detailliert informiert über die bis Juni 2002 in Chemnitz terminierten Veranstaltungen rund um die Einweihung der neuen Synagoge und des neuen jüdischen Gemeindezentrums. Damit – so betonte Bürgermeisterin Barbara Ludwig im Rahmen eines Pressegesprächs zur Vorstellung des zum Mitnehmen ausgelegten sowie im Internet unter www.chemnitz.de veröffentlichten Kalenders – erfolgte die Ouvertüre zu einer Vielzahl und Vielfalt von außergewöhnlichen Veranstaltungen, die das weit über Chemnitz hinaus wirkende, bedeutende Ereignis der Einweihung eines neuerbauten jüdischen Gotteshauses und Jüdischen Gemeindezentrums begleiten.
Mit dem Veranstaltungskalender bieten 30 Chemnitzer Kultur- und Bildungseinrichtungen dank der engagierten Tätigkeit insbesondere auch des Fördervereinsvorsitzenden nun gebündelt und mit Unterstützung der Stadt Chemnitz ihr ganz spezielles, gut gestaltetes „Willkommen“ in Form eines facettenreichen Veranstaltungsprogramms an unterschiedlichen Orten der Stadt. Nach dem Tag der Einweihung der neuen Synagoge in Chemnitz – wird auch zu Veranstaltungen in das neue jüdische Gemeindezentrum eingeladen.
Diese „Begrüßungsgeschenke“ der Chemnitzerinnen und Chemnitzer an die Jüdische Gemeinde Chemnitz zeigen auch, wie stark die erstarkende, derzeit rund 500 Mitglieder zählende Jüdische Gemeinde bereits in das öffentliche Leben der Stadt integriert ist, wollen „Auftakt sein zu einer guten und dauerhaften Zusammenarbeit“ wie Ausblick auf die künftigen Veranstaltungen und Begegnungen in Synagoge und Gemeindezentrum. Nicht zuletzt wird die Aufmerksamkeit auch auf den internationalen Aspekt des Kalenders gelenkt: ein Viertel der über 60 Veranstaltungen werden durch Beiträge aus den USA, Israel und verschiedenen Ländern Europas bestritten.
Förderverein künftig weiter als Freundeskreis
Wer sich in die gemeinsame Zukunft einbringen möchte, ist herzlich zur Gründungsversammlung des neuen Freundeskreises am 11. Juni 2002 eingeladen. Der neue Freundeskreis – satzungsgemäß erfolgt nach der Einweihung der Synagoge die Auflösung des bisher wirkenden Fördervereines Bau der Synagoge Chemnitz e.V. – will es sich zur Aufgabe machen, jüdisches Leben und jüdische Kultur im öffentlichen Leben der Stadt Chemnitz weiter zu etablieren. Dank des engagierten Wirkens des 1999 gegründeten Fördervereins konnten in der Spendenaktion zum Bau der neuen Synagoge bisher eine halbe Million DM gesammelt und für den Bau – speziell für die am Gotteshaus anzubringenden hebräischen Buchstaben - zur Verfügung gestellt werden.
Zur künftigen Zusammenarbeit wird beispielsweise auch gehören, dass die zum festen kulturellen Angebot in Chemnitz gehörenden und über die Stadt hinaus wirkenden „Tage der jüdischen Kultur“ im engen Miteinander von Deutsch-Israelischer Gesellschaft Chemnitz und Jüdischer Gemeinde Chemnitz vorbereitet und veranstaltet werden.
Stadt Chemnitz