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PRESSEMITTEILUNG 120 Chemnitz, den 05.03.2003

Zum Gedenken an die Bombenopfer
und die Zerstörung von Chemnitz am 05. März 1945:
Chemnitzer Oberbürgermeister : Keine Chance außer Acht lassen,
um Kriege zu vermeiden – die Botschaft des 1945 zertrümmerten Chemnitz!

Kranzniederlegung am Mahnmal auf dem Städtischen Friedhof

Am 05. März 2003 jährt sich zum 58. Mal der Tag, an dem die Stadt Chemnitz während des 2. Weltkrieges durch Bombardements schwer zerstört wurde. Über 2500 Menschen verloren bei dem schwersten Angriff auf die Stadt ihr Leben.
Mit einer Kranzniederlegung auf dem Städtischen Friedhof in Chemnitz gedachten auch in diesem Jahr viele Chemnitzerinnen und Chemnitz der Opfer und der Zerstörung. Sie waren dem Aufruf des Chemnitzer Oberbürgermeisters Dr. Peter Seifert gefolgt, den 05. März als Tag der Mahnung und des Gedenkens an die Opfer in ständiger Erinnerung zu halten und gemeinsam mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Stadträten und Vertretern der Stadtverwaltung der Opfer des Bombardements mit einer Kranzniederlegung zu gedenken.

In seiner Ansprache am Mahnmal sprach Oberbürgermeister Dr. Seifert von „besonders schmerzhaften Erinnerungen“, mit denen sich die Chemnitzer jedes Jahr am 05. März beschäftigen: „Wir Älteren, die wir während der Kriegsjahre Kinder waren, und ganz besonders diejenigen, die die Bombennacht in Chemnitz erlebt haben, werden die Einzelheiten nie vergessen – nicht die ‚Christbäume‘ genannten über die Stadt abgeworfenen Aluminiumstreifen, die den nahenden Fliegerangriff ankündigten, nicht das Heulen der Sirenen und den darauffolgenden abendlichen Gang in den Keller, nicht die Wäscheklammern, auf die sie während der Detonationen beißen sollten, um so angeblich eine Verletzung der Lunge durch die Druckwelle zu verhindern, nicht das Geräusch der Flugzeugmotoren und den ohrenbetäubenden Lärm der Explosionen, nicht die gewaltigen Erschütterungen, die das Gefühl vermittelten, das eigene Haus sei getroffen worden, und vor allem nicht die Angst. Sie werden auch den Anblick der in purpurroten Flammen stehenden Innenstadt nicht vergessen, der sich ihnen bot, als sie um halbelf am Abend die Kellerräume verlassen durften. In den Trümmern lagen nicht nur zerstörte Gegenstände, sondern auch viele tote Menschen – insgesamt fielen den Bombardierungen im Frühjahr 1945 4000 Chemnitzerinnen und Chemnitzer zum Opfer. Die britische Presse berichtete, das ‚sächsische Manchester‘ existiere nicht mehr.“

Komplizierter noch als die Aufarbeitung einer solchen Erfahrung des Schreckens, so der Oberbürgermeister in seiner Ansprache auf dem Städtischen Friedhof, sei das Wissen, das sich zu einer Gewissheit verfestigte, „dass es uns als Deutschen auferlegt bleibt, Zurückhaltung bei der Anklage alliierter Bombenangriffe auf deutsche Städte zu üben“. In diesem Zusammenhang erinnerte der Oberbürgermeister daran, dass das grauenhafte Karussell der Gewalt gegen große urbane Zentren und gegen am Krieg unbeteiligte Zivilbevölkerung sich nicht mit Dresden und Chemnitz zu drehen begann, sondern mit Guernica, Warschau, Rotterdam und Coventry, dass es Görings Luftwaffe war und nicht die anglo-amerikanische Air Force, die das „Ausradieren“ von ganzen Städten zu einem Bestandteil der modernen Kriegführung gemacht hatte und dass es Joseph Goebbels war, der mit seiner Frage „Wollt ihr den totalen Krieg?“ am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast ein begeistertes „Ja!“ aus tausend Kehlen erntete.

Es ist – so verwies der OB weiter in seiner Rede - diese Gewissheit, verbunden mit dem Wissen um die weiteren verbrecherischen Gräueltaten, die die Militärmaschinerie des „Dritten Reiches“ während des 2. Weltkrieges verübte und deren Hintergründe und Zusammenhänge man in diesen Tagen anschaulich in der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ im Schlossbergmuseum präsentiert bekommt, die es uns so schwer machen, mit dem in jener Nacht Erlebten fertig zu werden. „Trotzdem konnten diese gewaltigen Bombardierungen bereits damals weder militärisch noch moralisch gerechtfertigt werden. Auch nicht vor dem Hintergrund der ungeheuerlichen Verbrechen, die Deutsche an der Zivilbevölkerung der überfallenen Länder begangen hatten. Viele der noch lebenden britischen und amerikanischen Kriegsveteranen sehen das heute nicht anders.“

Die Zerstörung von Chemnitz vor 58 Jahren, so der OB, war letztendlich die bittere Konsequenz aus dem menschenverachtenden und chauvinistischen Treiben einer nationalsozialistischen Diktatur, die einen Weltkrieg auslöste, der am Ende Tod und Verderben auch über die Stadt Chemnitz brachte.

Den Bogen in die Gegenwart führend, verwies der Oberbürgermeister darauf, dass die Narben der damals geschlagenen Wunden nicht nur in vielen Menschenseelen, sondern auch im Gesicht der Stadt noch spürbar sind.. „Wir hätten wohl heute nicht so viel Mühe damit, das Stadtzentrum urban zu beleben, wenn damals die Jahrhunderte lang organisch gewachsenen Strukturen binnen weniger Stunden nicht zerstört worden wären.“ Dr. Seifert erinnerte an den Einsatz und die Leistung jener Chemnitzerinnen, denen die Aufgabe zufiel, die ersten Schritte aus dem Chaos zu bewältigen, um die Stadt so schnell wie möglich wieder lebensfähig zu machen. An den Wochenenden stellten sich jeweils 45.000 bis 50.000 Einwohner – die meisten davon Frauen, denn viele Männer waren gefallen oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft – freiwillig zur Arbeit. „Viele Arbeiter und Angestellte gingen nach der Arbeit, die auch vor allem aus Aufräumungsarbeiten und Enttrümmern bestand, zu einer zweiten Schicht in die zerstörten Stadtteile. Die dabei erbrachten Leistungen nötigen uns allen auch heute noch den größten Respekt ab“, erklärte der Oberbürgermeister mit Nachdruck.

Mit Blick auf die aktuelle weltpolitische Situation erklärte der Chemnitzer Oberbürgermeister: „Die Betrachtung all der komplizierten Aspekte der Bombennacht vom 5. März 1945 führt mich zwangsläufig immer wieder zu einer wesentlichen Schlussfolgerung, die gerade in diesen Tagen eine besondere Aktualität erfährt. Die Eigendynamik der Kriege führt zu Verwüstungen, deren Beseitigung der konzentrierten Anstrengung ganzer Generationen bedarf, und selbst dann sind die entstandenen Schäden nicht immer ganz zu beheben. Der größte Verlust sind allerdings die sinnlos dahingemetzelten Menschenleben, die niemand und nichts wieder ersetzen kann. Daher sollte es die vornehmste Aufgabe der verantwortlichen Politiker und Staatsmänner sein, keine noch so kleine Chance außer Acht zu lassen, um den Krieg als das letzte Mittel der Politik und letztendlich als Ergebnis des Scheiterns von Politik zu vermeiden. Das ist für mich die unmissverständliche Botschaft des zertrümmerten Chemnitz.“

Pressestelle
Stadt Chemnitz

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