Aktuelle Pressemitteilungen
PRESSEMITTEILUNG 514 Chemnitz, den 29.07.2003
74. Deutscher Archivtag vom 30. September bis 3. Oktober in Chemnitz
Heute: Noch bewahrt das Stadtarchiv Papier...
Im späten Mittelalter begann in Europa das hier neu erfundene Papier das Pergament als Beschreibstoff abzulösen. Pergament wurde fortan weitgehend nur noch bei der Ausstellung von Urkunden verwendet. Unsere Vorfahren gewannen Papier aus Hadern und Lumpen, die gewässert und mit Kalk aufgelöst wurden. Zur Leimung verwendete man Gelantine, so dass das gewonnene Papier vollständig aus natürlichen und chemisch basisch reagierenden Substanzen bestand. Das änderte sich gravierend in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Anforderungen wachsender Schriftlichkeit, die aus Verlags- und Zeitungswesen aber auch aus zunehmender Vewaltungstätigkeit und Gesetzgebung erwuchs, konnte mit dem klassischen Herstellungsverfahren nicht mehr entsprochen werden.
Die industrielle Papierproduktion sicherte zwar den fortan steigenden Bedarf, brachte aber zugleich in das Papier Substanzen hinein, die es – wie man allerdings erst Jahrzehnte später feststellte – auch schädigen. Vor allem die Harz/Alaun-Leimung brachte Säurereste in das Papier. Das Alaun selbst reagiert mit dem Wasser aus der Luftfeuchtigkeit und bildet neu Schwefelsäure. Das im Holzschliff enthaltene Lignin ist vor allem für die raschere Alterung wie Vergilbung und Verbräunung sowie eventuell auch für das Brüchigwerden durch die Freisetzung organischer Säuren verantwortlich. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde noch die Bleichung mit Chlor eingeführt, Metallionen von Eisen, Zinn und Kupfer gelangen durch Schreibstoffe wie Tinte in das Papier. Mit der Vielzahl von Schadstoffen sind industriell gefertigte Papiere in ihrer Erhaltung hochgradig bedroht.
Im Allgemeinen geht man davon aus, dass ca. 80-90% der in den Archiven befindlichen Archivgutes davon betoffen sind. Im Stadtarchiv Chemnitz sind es etwa 3700 bis 4200 laufende Meter Akten; dazu kommen noch Tausende Bände in der Archivbibliothek sowie große Teile der Sammlungen. Allerdings steht man der Gefahr nicht machtlos gegenüber. Zunächst können schon ganz konventionelle Methoden wie die Erhaltung eines gleichbleibenden Klimas in den Magazinräumen(16-18° C, 45-50% Luftfeuchtigkeit), die Verpackung in säurefreien Kartons, die Entfernung von Metallteilen aus den Akten den Alterungsprozess verlangsamen. Mittlerweile sind jedoch auch Verfahren entwickelt worden, die die Restlebigkeit des Papiers bedeutend verlängern können und die vor allem auch geeignet sind, um große Mengen zu bearbeiten.
Die Verfahren zur so genannten Massenentsäuerung verfolgen das Ziel, Säuren und säurebildende Stoffe im Papier zu entfernen oder zumindest chemisch zu neutralisieren und eine basische Reserve zu bilden. Dazu wird das Papier getrocknet, mit einer Kalzium- bzw. Magnesiumkarbonatlösung getränkt, danach wieder getrocknet und nochmals befeuchtet. Auf diese Weise gelingt es, im Papier eine alkalische Reserve von bis zu 2% (vor der Behandlung liegt dieser Wert im Minusbereich) anzulegen und einen pH-Wert von fast 9 zu erreichen (vordem zwischen 4 und 5). Bei einer Behandlung von Einzelblättern ist sogar die Einbringung eines Festigers und die Fixierung von Tinten möglich.
Seit 1999 werden im Stadtarchiv mit finanziellen Aufwand Maßnahmen zur Massenentsäuerung durchgeführt. Konserviert werden vor allem die am meisten gefährdeten Bestände aus der Zeit nach 1945, die auf Grund der zu DDR-Zeiten verwendeten Papiere eine besondere Gemengelage, einschließlich Thermokopien, aufweisen. Gerade das macht eine sorgfältige Durchsicht notwendig, denn Thermokopien sind für die Behandlung ungeeignet. Um deren Informationen zu erhalten, muss auf das herkömmliche Kopieverfahren zurück gegriffen werden.
Auch damit wird das Stadtarchiv seiner gesetzlichen Aufgabe gerecht, das von ihm verwaltete Archivgut der Stadt nachhaltig vor Verlust und Schaden zu schützen und seine dauernde Auf- bewahrung zu sichern.
Hinweis für Redaktionen: Für Rückfragen steht Ihnen Herr Dr. Pfalzer vom Stadtarchiv Chemnitz unter Telefon 0371/488 4720 zur Verfügung.
Stadt Chemnitz