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PRESSEMITTEILUNG 523 Chemnitz, den 07.08.2003
Gezielter helfen bei Wohnungslosigkeit – neues Verfahren im Sozialamt
In Zeiten knapper Kassen sind soziale Hilfen ohne Zeit- und Raumlimit fraglich. Dieser Tatsache stellt sich das Sozialamt. Für die angebotenen Leistungen werden Verwaltungsabläufe regelmäßig kontrolliert und optimiert, um der Klientel zielgerichteter zu helfen.
Nach grundlegenden Neuerungen in den Bereichen Sozialhilfe- und Wohngeldgewährung kamen im vergangenen Jahr die Hilfeangebote für Wohnungslose auf den Prüfstand. Wohnungslose Personen oder solche, die in unsicheren wie unzumutbaren Wohnverhältnissen leben, haben einen gesetzlichen Anspruch auf Hilfe z. B. in Form einer vorübergehenden Not-(unterkunft) oder Maßnahmen des ambulant betreuten Wohnens.
Frau Liebetrau, welche Gründe gab es, die Leistungen in der Wohnungslosenhilfe gesondert zu betrachten?
Auf den Prüfstand kam insbesondere das ambulant betreute Wohnen als intensivste Maßnahme der Wohnungslosenhilfe. Diese Hilfe hatte in der Vergangenheit trotz des geringen Betreuungsschlüssel - ein Sozialarbeiter unterstützt 14 Personen - nicht im erwarteten Maße zur Überwindung der besonderen sozialen Schwierigkeiten der Betroffenen geführt: Es gab Personen, die schon über Jahre hinweg in Wohnprojekten oder im vom Sozialamt angemieteten Wohnraum lebten und eine Veränderung ihrer Lage, eine Unabhängigkeit von sozialarbeiterischen Hilfen nicht mehr möglich schien.
Dieser Umstand musste darauf zurück geführt werden, dass die Unterstützungsangebote der Wohnungslosenhilfe nicht in jedem Einzelfall auch tatsächlich geeignet war:
Unmittelbare Ursachen von Wohnungslosigkeit sind Mietschulden oder Verstöße gegen andere Pflichten aus dem Mietvertrag. Tatsächlich aber gehen die durch Räumungsklage bei Gericht durchgesetzten Zwangsmaßnahmen zur Wohnungsräumung auf vielfältige individuelle Probleme zurück. So führen Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit, Alter oder familiäre Schwierigkeiten oftmals zu Isolation und Resignation und dann oftmals in das soziale Abseits.
Bisher führte Wohnungslosigkeit als vordringlichste Problemlage fast automatisch zu einer Unterbringung in einem der vier kommunalen Wohnprojekte und der Gewährung eines ambulant betreuten Wohnens als persönliche Hilfe. Diese ist aber zum Beispiel nicht auf einen therapeutischen oder pflegerischen Hilfebedarf ausgerichtet und kann nur eine vermittelnde Funktion wahrnehmen.
So mussten Fälle, die eine Rückkehr in eigenen Wohnraum anstreben und mit Unterstützung gut bewältigen konnten ebenso gehandhabt werden wie jene, die nicht wieder in eigenen Wohnraum gehen konnten. Sie aus dem Wohnprojekt heraus in eine andere Einrichtung z. B. Pflegeheim zu vermitteln, gestaltete sich sehr schwierig und langwierig.
Leistungen der Wohnungslosenhilfe an sich sind dauerhaft nicht der personenbezogene Lösungsansatz sondern eher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und nachrangig gegenüber anderen ambulanten und stationären Hilfeangeboten.
Hinzu kommt, dass die Dauer der Hilfe bisher nicht zeitlich befristet war. Welche Veränderungen wurden eingeleitet?
Mit dem Ziel, Unterstützung bei Wohnungslosigkeit personenbezogen mit festen Vorgaben zu leisten, richtete das Sozialamt zum Jahresende 2002 Clearingstellen sowohl für den Bereich der Unterbringungsmöglichkeiten als auch für die Beratungsstellen ein.
Hier wird in persönlichen Kontakten und Gesprächen geprüft, ob ein längerfristiger Hilfebedarf der wohnungslosen bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen besteht und die Bereitschaft der Betroffenen zur Veränderung und aktiven Mitwirkung vorliegt.
Es wird unter Einbeziehung spezifischer Fachdienste gemeinsam entschieden, welche Hilfeform im System der sozialen Dienstleistungen tatsächlich geeignet ist. Dies geschieht unter Beachtung der physischen und psychischen Situation der Betroffenen, ihrer bisherigen Lebenswelt, vorhandener Ressourcen und Vertrauenspersonen.
Neu am Prozessverlauf ist, dass fehlenden Unterkunftsmöglichkeiten zwar vorübergehend abgeholfen, ein längerfristiger Verbleib Betroffener im Zuständigkeitsbereich der Wohnungslosenhilfe jedoch nicht von vornherein angenommen wird. Aus der Clearingstelle heraus können nunmehr nach ca. 8 Wochen bedarfsgerechte Vermittlungen in eigenen Wohnraum, in Pflegeheime, therapeutische Einrichtungen oder aber in Wohnprojekte erfolgen.
Beim Verbleib im Zuständigkeitsbereich der Wohnungslosenhilfe wird mit einer Hilfevereinbarung eine Art Vertragswerk zwischen Klient, hilfeleistender Stelle und Behörde geschlossen. Gemeinsam werden Ziele, Aufgaben und Zeiträume festgelegt und kontrolliert. Der Betroffene muss bereit sein, mitzuwirken.
Wer nicht aktiv zur Veränderung seiner Situation beitragen bzw. die angebotene Unterstützung nicht möchte, kann die Übernachtungsstätte Altendorfer Straße nutzen. Es handelt sich hier um eine einfache Notunterkunft.
Welche messbaren Ergebnisse bringt der Clearingprozess seither wirklich?
Die Vorteile des neuen Clearingverfahrens zeigen sich deutlich am Beispiel der jüngsten Fallzahlen. Seit dessen Einführung im November 2002 bis 30. Juni 2003 wurden in der Erstaufnahmeeinrichtung Altendorfer Straße (für Familien: Zeisigwaldstraße) die Problemlagen von insgesamt 44 Personen besprochen und geprüft:
27 von ihnen erhalten auch weiterhin Unterstützung durch die Wohnungslosenhilfe, davon sechs sogar wieder in eigenem Wohnraum. Bei drei Betroffenen konnte eine Hilfebedarf festgestellt werden, der durch andere, vorrangige Leistungsträger gedeckt werden muss; sie wurden zwischenzeitlich entsprechend vermittelt. Für neun Personen waren weitere Leistungen nicht erforderlich und von fünf wurden sie nicht gewünscht bzw. angenommen.
Der Unterschied: Nach der früheren Verfahrensweise wären alle 44 Personen den einzelnen Wohnprojekten zugeteilt und einem ambulant betreuten Wohnen unterzogen worden. 17 Personen weniger, die diese Hilfe erhalten müssen, bedeutet nicht nur eine monatliche Einsparung von rund 4.500 € Fallkostenpauschale sondern auch, dass die Ziele dieses Angebotes der Wohnungslosenhilfe in diesen Fällen nicht bzw. nicht in absehbarer Zeit hätten erreicht werden können, weil entweder ein anderer Hilfebedarf oder aber keine Bereitschaft zur Veränderung vorhanden wären.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Clearingergebnissen in den Beratungsstellen
der freien Träger ab. Dem Prozessverlauf dort wurden seit Januar 2003 32 Personen unterzogen, 14 von ihnen erhalten weiterführende Unterstützung durch die Wohnungslosenhilfe.
Stadt Chemnitz