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PRESSEMITTEILUNG 582 Chemnitz, den 29.08.2003

74. Deutscher Archivtag vom 30. September bis 03. Oktober in Chemnitz

Aus der Arbeit Chemnitzer Archive (6) – heute:
Akteneinsicht - ein demokratisches Recht

Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik - Außenstelle Chemnitz

Die friedliche Revolution vom Herbst 1989 liegt fast 14 Jahre zurück. Anfang Dezember stoppten auch im ehemaligen Karl-Marx-Stadt aufgebrachte Bürger die Aktenvernichtung durch die vor Ort tätigen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Damit war wichtiges Herrschaftswissen aus 40 Jahren SED-Diktatur gesichert worden.

Aus dieser Zeit stammt auch die Forderung, die Akten offen zulegen. Die Bürger wollten wissen, wie die Geheimpolizei ihren Lebensweg beeinflusst hat. Nicht nur die Vertreter des SED-Machtapparates versuchten, die Aktenöffnung zu verhindern. Auch in den alten Bundesländern hatte man große Bedenken, die Akten sofort für die Nutzung freizugeben. Die Akten sollten im Bundesarchiv eingelagert und nach der üblichen Frist von 30 Jahren der Forschung zur Verfügung stehen. Doch schon die erste freigewählte Volkskammer der DDR hatte ein Gesetz über den Umgang mit der Stasi-Hinterlassenschaft verabschiedet. Letztendlich erzwang erst die Besetzung der MfS-Zentrale in Berlin durch Bürgerrechtler im September 1990 und ein damit verbundener Hungerstreik die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Einigungsvertrag.
Seit dem 01.01.1992 regelt das vom Bundestag verabschiedete Stasi-Unterlagen-Gesetz den Umgang mit dem MfS-Schriftgut. Für die Umsetzung ist die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zuständig, im vormaligen Bezirk Karl-Marx-Stadt vertreten durch die Chemnitzer Außenstelle in der Jagdschänkenstraße 56.

Die demokratische Entwicklung in den neuen Bundesländern ist auch der Aktenöffnung zuzuschreiben und stellt mit ihr eine Erfolgsgeschichte dar. Nun hat auch der Bürger in den neuen Bundesländern ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, er hat ein Recht darauf zu wissen, welche Informationen über ihn gespeichert werden. Das trifft auf die Stasi-Unterlagen zu, wie auf alle über ihn in Verwaltungen, Archiven und selbst beim Verfassungsschutz angelegten Vorgänge.

Allein in der Chemnitzer Außenstelle zeugen inzwischen über 200.000 Anträge auf Akteneinsicht davon, dass viele Bürger von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Anlässlich der 14-tägigen Ausstellung „verdeckt und getarnt“ in der Galerie Roter Turm nutzten in 14 Tagen wieder 900 Bürger die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen. Das Interesse ist auch fast 12 Jahren nach Öffnung der Akten ungebrochen.

Fast jeder zweite der 1,8 Millionen im ehemaligen Bezirk Karl-Marx-Stadt wohnenden Bürger wurden vom MfS registriert. So können 70 % der Antragsteller Unterlagen vorgelegt werden. Bis dahin war es ein weiter Weg. Die Archivare bereiteten bis 1998 mehr als 500.000 von den Stasi-Mitarbeitern aus ihren Zusammenhang gerissenen und zur Vernichtung gebündelten Personenvorgänge auf. Seitdem werden vor allem die aus sachlichen Gründen angelegten Akten erschlossen. Dabei werden auch jetzt noch häufig Unterlagen zu Bürgern aufgefunden, die den Einsichtsersuchenden vorgelegt werden können.

Das Thema Archive und Demokratie beinhaltet auch immer die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Im 20. Jahrhundert mussten die Deutschen in zwei Diktaturen leben, in der nationalsozialistischen und in der kommunistischen. Nach 1945 blieb die Auseinandersetzung mit der Nazizeit und den Verstrickungen der Eliten wie auch der „normalen“ Bürger zu großen Teilen aus. Das trifft mehr auf die alte Bundesrepublik zu, aber auch in der DDR fand die Aufarbeitung nur partiell statt. Die NSDAP hatte immerhin über 10 Millionen Mitglieder. Große Teile der schriftlichen Hinterlassenschaft der NS-Zeit in der DDR wurden vom MfS verwaltet und der Zugang politisch reglementiert. Dieser Fehler sollte nach 1990 nicht wiederholt werden. Offenheit im Umgang mit den Unterlagen zählt zu den Arbeitsgrundsätzen der Behörde.

Die jährlichen Tage der offenen Tür wurden in Chemnitz von bis zu 2500 Besuchern genutzt, auch ehemalige Mitarbeiter der Stasi haben davon Gebrauch gemacht. Das Angebot an Führungen, Projekttagen und Ausstellungen wird zunehmend auch von Bildungseinrichtungen genutzt. Nach dem Stasiunterlagengesetz kann jeder Bürger einen Forschungsantrag stellen und sich an der Aufarbeitung der Vergangenheit beteiligen. Unter Wahrung des Datenschutzes für die Betroffenen werden die zum Thema vorhanden Akten bereitgestellt. Eine Sperrfrist gibt es nicht.

In diesem Jahr findet der 74. Deutsche Archivtag in Chemnitz statt. Die Archivare verfolgen seit Jahren mit Interesse die Erschließung und Nutzung der Unterlagen. Sicher wird ein Teil von Ihnen die Gelegenheit nutzen, ihren Kollegen über die Schulter zu schauen.

Hinweis für Redaktionen: Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte unter Ruf 0371/ 80 82 37 50 direkt an den Autoren des Beitrags, Herrn Holger Horsch in der Chemnitzer Außenstelle.

Bitte beachten Sie bei Ihren Veröffentlichungen zum 74. Deutschen Archivtag in Chemnitz auch die bisher von der Pressestelle der Stadt Chemnitz zum Thema veröffentlichten Informationen mit PD Nr. 556 vom 22.08.03, Nr. 549 vom 20.08.03, Nr. 543 vom 18.08.03, Nr. 521 vom 05.08.03, Nr. 514 vom 29.07.03 und Nr. 472 vom 08.07.03 – zu finden auch im Internet unter www.chemnitz.de > Pressemeldungen

Pressestelle
Stadt Chemnitz

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