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PRESSEMITTEILUNG 554 Chemnitz, den 08.08.2007
Chemnitzer Kulturfestival BEGEGNUNGEN 2007 unter dem Thema „HEIMAT“ vom 29. September bis 20. Oktober 2007
Informationen im Internet unter www.kulturfestival-begegnungen.de und www.chemnitz.de/begegnungen
Wie kommt es, dass gerade im Zeitalter der Globalisierung eine Renaissance territorialer Bindungen zu beobachten ist? Die Frage, ob dies der Fall ist, weil die weltweite Vernetzung sozialer und wirtschaftlicher Systeme zu einer hohen Uniformität von Lebensstilen und Werten führt, treibt nicht nur Wissenschaftler um.Offenbar bilden lokale bzw. regionale Bezüge wieder stärker einen Orientierungsrahmen für die Menschen. Dass aber gerade in Deutschland auf positive wie negative Bedeutungen des Heimatbegriffs geachtet wird, hat bekanntermaßen Ursachen im politischen Missbrauch dieses Terminus im Nationalsozialismus. Wie definieren Gesellschaft und Individuum heute den Begriff „Heimat“? - eine Frage, die in einen spannenden Diskurs mündet, allemal dann, wenn er künstlerisch geführt wird. Ulrike Kölgen, Intendantin der „Begegnungen“ erntete nicht nur Zustimmung, sondern auch kontroverse Meinungen als sie „Heimat“ zum Motto des Festivals deklarierte. Zunächst befremdet von der nationalen Euphorie während der Fußballweitmeisterschaft 2006, erkannte die Kulturmanagerin das Potenzial für eine künstlerische Auseinandersetzung. Dass Menschen jenseits vom Geografischen den Begriff „Heimat“ für sich in Kultur, Sprache, Weltanschauung, Religion, Familie und vielen weiteren Aspekten definieren, ermöglicht dem diesjährigen Kulturfestival eine enorme inhaltliche Spannbreite.
Natürlich bietet das Thema auch die Chance zur Auseinandersetzung mit deutsch-deutscher Geschichte. So erzählt das Filmepos „Heimat“ von Edgar Reitz von einer Familie, deren Wurzeln im kargen Hunsrück - im „anderen“ Teil Deutschlands - liegen. Es kam einer Provokation gleich, als 1984 der erste Teil der elf abendfüllenden Filme unter dem Titel „Heimat“ in deutsche Wohnzimmer flimmerte, war doch der Begriff seit Hitlers Blut- und Boden-Ideologie gebrandmarkt. Das Publikum reagierte zunächst irritiert und dann fasziniert. Nun ist der Film-Autor und Regisseur anlässlich der Aufführung des Streifens in Chemnitz zu einer Gesprächsrunde eingeladen, in der Professor Wolfgang Kaschuba, Ethnologe an der Humboldt-Universität Berlin sich dem „Phänomen Heimat“ nähern will. An dem Gespräch nimmt auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig teil.
Als zeitgeschichtliches Dokument gilt gleichsam Frank Beyers Film „Spur der Steine“. Die literarische Vorlage von Erik Neutsch verschafft mehr als vierzig Jahre nach ihrer Entstehung einen Einblick in politische und menschliche Konflikte während des DDR-Regimes. Im Rahmen der „Begegnungen“ werden die Theater Chemnitz den Stoff nun als Uraufführung herausbringen. Eine Produktion, die ohne die Finanzspritze des Kulturfestivals wohl nicht zustande gekommen wäre. Wie bereits in der Vergangenheit bestreiten dessen finanzielles Budget – in Höhe von insgesamt 189.000 Euro - die Kommune, die Kulturstiftung des Landes und die Kulturraumförderung sowie zu einem großen Teil Sponsoren.
Der monetäre Aspekt spielt neben der vom Publikum erwarteten künstlerischen Qualität eine wesentliche Rolle, denn: „Immerhin konnten wir so wieder neun Uraufführungen und die Auftritte bedeutender Künstler ermöglichen“, erklärt die Festivalintendantin und verweist auf einen ihrer persönlichen Favoriten des Programms: ein Abend mit den Schauspielern Hilmar Thate und Angelica Domröse, die am 12. Oktober im Schauspielhaus zu Gast sein werden. Ihre deutsch-deutschen Karrieren haben beide Schauspieler zu Papier gebracht und geben nun dem Zuhörer die Gelegenheit an ihrer Suche nach künstlerischer Heimat teilzuhaben.
Ähnlich intim und authentisch sind die Tagebücher der Brigitte Reiman, die posthum veröffentlicht wurden. In ihnen schildert die Autorin ihre kritische Sicht auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der DDR. Die Texte – gelesen von der ebenfalls zu DDR-Zeiten mit Restriktionen belegten Schauspielerin Jutta Hoffmann – geben Heimatgeschichte wieder ohne unangemessene Ostalgie.
Auch die Gedichte von Eva Strittmatter - gefühlsbetont und nachdenklich - schufen offenbar für viele ein Gefühl von Heimat, deshalb gehört ihre Poesie unbedingt zum aktuellen „Begegnungs“-thema. Die vertonten Gedichte werden von Susanne Kliemsch am 10. Oktober im Schauspielhaus vorgetragen. Am Klavier begleitet wird die Interpretin übrigens vom langjährigen Pianisten Gisela May’s.
Was empfinden Fremde, die in Deutschland Heimat suchen? – auch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt der diesjährigen „Begegnungen“, der bereits zum Festivalauftakt am 29. September deutlich wird. In Hans Zenders „Schubert’s Winterreise“ begegnet das Publikum der Sicht einer Türkin, die in unser Land kommt und hier heimisch wird, in der Widerspiegelung mit klassisch-deutscher Liedkomposition.
Gerade im Hinblick auf den von Neonazis missbrauchten Heimatbegriff ist es Ulrike Kölgen ein wichtiges Anliegen, die Sichtweisen Fremder in das Begegnungsprogramm einfließen zu lassen. Denn „nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“ (Christian Morgenstern).
(eh)
Hinweise für Redaktionen:
Als Anlage erhalten Sie zur kostenfreien Veröffentlichung das offizielle Logo der 21. Ausgabe des Chemnitzer Kulturfestivals „Begegnungen“. Das Programm der vom 29. September bis 20. Oktober 2007 in Chemnitz veranstalteten „Begegnungen“ steht im Internet unter www.kulturfestival-begegnungen.de und www.chemnitz.de/begegnungen
Mitte August 2007 erscheint auch wieder das Programmheft mit allen Informationen zum Chemnitzer Kulturfestival „Begegnungen“ 2007 und wird kostenfrei zum mitnehmen ausgelegt in öffentlichen (Kultur-)Einrichtungen sowie auch in den Infotheken der Stadt Chemnitz.
Informationen zum Programm veröffentlichte die Pressestelle bereits mit PD Nr. 471 vom 28.06.07 und Nr. 491 vom 05.07.07 - siehe www.chemnitz.de > PRESSEMELDUNGEN.
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