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PRESSEMITTEILUNG 051 Chemnitz, den 22.01.2011
Das Zentrum des Neuen Rathauses Chemnitz glänzt wieder: Der Stadtverordnetensaal – ein Jugendstil-Juwel
Festrede der Oberbürgermeisterin: Den Raum mit Geist, Sinn und Leben füllen – Kommunale Selbstverwaltung ist traditionsreiches, hohes und stolzes Gut
Besucheransturm bei Besichtigungen nach dem Festakt – Zweiter Termin für Besucher am kommenden WochenendeDas Neue Rathaus Chemnitz feiert im September 2011 sein 100-jähriges Bestehen. Seinen Auftakt erlebt das Jubiläumsjahr heute: Mit einem haben die Chemnitzer Stadträte ihren Sitzungssaal wieder in Besitz genommen. Der Stadtverordnetensaal ist ein von seiner Architektur und künstlerischen Ausgestaltung bedeutendes Jugendstil-Juwel im Neuen Rathaus Chemnitz. Zu seiner Ausstattung gehört auch das berühmte und während Bau und Rekonstruktion sorgfältig verpackte Monumentalgemälde von Max Klinger „Arbeit – Wohlstand – Schönheit“. In den vergangenen 18 Monaten wurde der Saal historisch getreu rekonstruiert und dabei auch mit einer dem heutigen Standard entsprechenden Technik ausgestattet – das Juwel glänzt wieder!
Der Festakt begann mit dem Begrüßungsruf von Türmer Stefan Weber und dem vom Opernchor der Theater Chemnitz furios dargebotenen „Hallelujah“ aus dem „Messias“-Oratorium von Händel. In ihrer Festrede charakterisiert Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig den Stadtverordnetensaal als das „Zentrum des Hauses“ und die kommunale Selbstverwaltung als „wesentlichen Antrieb und Bestandteil unserer Demokratie“, als „traditionsreiches, hohes und stolzes Gut“. Die Oberbürgermeisterin ging auf Geschichte und Gegenwart des Saales ein und sprach über seine Nutzer: „Bürger repräsentierten damals und repräsentieren heute die Stadtgesellschaft. Noch nie waren Stadträtinnen und Stadträte so frei und demokratisch legitimiert und deshalb so gefordert in der Verantwortung wie heute. Kommunale Selbstverwaltung ist wesentlicher Antrieb und Bestandteil unserer Demokratie….“
Auf das Ziel der Sanierung und Rekonstruktion hinweisend, den ursprünglichen historischen Charakter des Raumes herauszuarbeiten, erklärte die Oberbürgermeisterin: „Gleichzeitig soll die Funktionalität des Saales für unsere Sitzungen und einige ausgewählte Veranstaltungen gegeben sein. Die klassische Verbindung also von Tradition und Moderne. Dieser Raum hat durch die feinsinnige Sanierung seine ganze Würde zurückbekommen. Es ist an uns, ihn mit Geist, Sinn und Leben zu füllen.“ Zugleich fordert Ludwig auf, sich daran zu halten, was die Vorgänger vor 100 Jahren formulierten: „Das Gemeinwohl ist das erste und oberste Gesetz.“
Nach der Festrede überbrachte der älteste Stadtrat des Gremiums, Stadtrat Dr. Eberhard Langer, ein Grußwort. Anschließend informierten Ronny Wehlend vom hauptverantwortlichen Planungsbüro Obermeyer Albis Bauplan GmbH und die verantwortliche Innenarchitektin Eske Tynior zur Rekonstruktion des Stadtverordnetensaales.
Den musikalischer Abschluss der Veranstaltung gestaltete wiederum der Opernchor mit zwei Darbietungen aus Mozarts „Zauberflöte“ („O Isis und Osiris“) und der Wagner-Oper „Tannhäuser“ („Einzug der Gäste – Freudig begrüßen wir die edlen Hallen“).
Zum Ende des Festaktes weihte Oberbürgermeisterin Ludwig den Stadtverordnetensaal symbolisch mit drei Hammerschlägen ein und nutzt dabei übrigens den Hammer des Stadtverordnetenvorstehers zur Eröffnung des Neuen Chemnitzer Rathauses anno 1911. Der Hammer war damals Geschenk des sächsischen Staatsministers Heinrich Beck, zuvor selbst OB in Chemnitz, zur Einweihung des Chemnitzer Rathauses.
Im Anschluss an den Festakt, an dem Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Stadträtinnen und Stadträte sowie Ehrenbürger der Stadt und weitere Ehrengäste teilnehmen, waren die Chemnitzer ab 15 Uhr eingeladen, die von Architekten, Bauleuten und Handwerkern umfassend und den Saal in Augenschein zu nehmen. Für sachkundige Erläuterungen und Auskünfte standen die Oberbürgermeisterin selbst sowie Türmer Stefan Weber und Frank Schubert, Leiter Zentrale Gebäudebewirtschaftung der Stadt Chemnitz, vor Ort zur Verfügung.
Achtung: Wegen des großen Ansturms – die 500 Karten waren in dieser Woche binnen kurzem vergriffen gewesen – wird es auch am kommenden Samstag Besichtigungen mit Türmer Stefan Weber geben: Für die Veranstaltungen am 29. Januar, 12 Uhr, 12.30 Uhr und 13 Uhr gibt es die kostenlosen Tickets ab Dienstag, 25. Januar, an der Rathaus-Information sowie im Markt 1 Tourist & Ticket Service.
Jubiläumsjahr 2011: 100 Jahre Neues Rathaus Chemnitz – Markantes Bauwerk des bekannten Stadtbaurates Richard Möbius
Eines der markantesten Chemnitzer Gebäude – das Neue Rathaus – wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Unter der Ägide des bekannten Chemnitzer Stadtbaurates Richard Möbius (1859 -1945) zwischen 1909 und 1911 errichtet, zeugt der Bau auch in seinem reich ausgestatteten Innern von der Finanzkraft der prosperierenden Stadt. Die Chemnitzer Industrie wuchs damals rasant und mit ihr die Bevölkerung, unter anderem auch weil die Stadt Vororte eingemeindete. Betrug die Einwohnerzahl im Jahr 1883 noch 100.000, so stieg sie 1901 auf 200.000 und im Jahr 1912 auf über 300.000. Die Organisation des Gemeinwesens, wie auch die wichtiger städtischer Einrichtungen wie die Gas- und Wasserversorgung erforderten einen höheren Verwaltungsaufwand. Das seit 1886 am Beckerplatz als Rathaus fungierende Stadthaus konnte diesen Anspruch nicht mehr erfüllen. So wurde der Plan, ein Neues Rathaus zu bauen, in die Tat umgesetzt. Die vergrößerte Verwaltung erhielt dort ihren Sitz. Wertvoll das Interieur wie auch die schmückenden Kunstgegenstände, demonstrierte die Stadt mit dem repräsentativen Bau ihren Reichtum und ihre Bedeutung in Sachsen. Einen Höhepunkt findet die Ausstattung und künstlerische Ausgestaltung des Neuen Rathauses in der 2. Etage des Hauses in den hier präsenten zwei Sitzungssälen (Stadtverordnetensaal und Ratssaal) sowie im Grünen Salon.
Jugendstil-Juwel glänzt wieder: Behutsame Restaurierung und technischer Standard
Bei der behutsamen Restaurierung galt es, die besondere Ausstrahlung des Saales zu erhalten, ebenso aber heutigen technischen Erfordernissen anzupassen. Da es sich um ein nahezu vollständig erhaltenes Jugendstil-Ensemble handelt, waren hierbei die Kenntnisse von Spezialisten gefragt. Zu ihnen zählt die Firma Lorenz-Leuchten, die unter anderem für die Lampen in der Semperoper und der Villa Esche sowie für weitere bedeutende Baudenkmale verantwortlich zeichnete. Für restaurierende Holzarbeiten verpflichtete die Stadt die Firma des Dresdner Holzbildhauers und Restaurators Thomas Püschner.
Bevor die Rekonstruktionen begannen, schützten die Handwerker das kostbare, monumentale Wandgemälde Max Klingers „Arbeit – Wohlstand – Schönheit“ mit Folie. Das Kunstwerk, das seit 1918 die Stirnseite des Stadtverordnetensaals ziert, war ein Geschenk des Textilunternehmers Herrmann Vogel an die Stadt. Inzwischen blicken die zwölf Grazien wieder aus luftiger Höhe in den Saal, flankiert von einer altrosa Seidentapete, die von der Seidenmanufaktur Eschke Crimmitschau nach historischem Vorbild gewebt wurde. Ursprünglich besaß die Manufaktur als Vorlage nur vergrößerte Schwarz-Weiß-Archivaufnahmen, welche die Ornamente der Originalwandbespannung abbildeten. Doch welche Farben sollten die Weber wählen, um dem historischen Vorbild nahe zu kommen? Lange berieten sich Kunstsachverständige, Innenarchitektin und Denkmalschützer. Der Zufall sollte ihnen zu Hilfe kommen: Hinter einer Spannleiste, die das Klinger-Gemälde fasste, fanden Handwerker ein Stück der Originaltapete. Plötzlich lag das Farbkonzept des Raumes klar auf der Hand: Wandfarbe, Seidentapete und später auch das Klinger-Gemälde harmonierten in den Pastelltönen Rosé, Blau und Violet.
Diese Farbgebung übernahmen während der Rekonstruktion auch die Maler zur Ausgestaltung der Besucher-Tribünen. Beleuchtet werden die Emporen durch Repliken von Jugendstilleuchten, welche der Grünaer Leuchtenbauer Mario Lorenz neu anfertigte. Schon einmal hatte seine Firma fachmännisch Hand im Stadtverordnetensaal angelegt. Damals, 2001, hatte sie die vielflammigen Deckenleuchter einer Generalüberholung unterzogen.
Spezielle Kenntnisse benötigten ebenfalls die Schreiner, die nach restauratorischen Vorgaben die Holzvertäfelungen ebenso wie Türen, Simse und Brüstungen überarbeiteten. Abgeschliffen und mit einer speziellen Lasur versehen, kommt ihre Optik nun dem Original von 1911 wieder nahe. Zudem musste manch schadhafte Stelle durch Repliken ergänzt werden.
Ein roter Teppich hatte 1911 den Saal ausgekleidet, doch bemerkte man kurze Zeit später, dass sich der Textilbelag schnell abnutzte. So kam Eichenparkett ins Spiel, das in den 50er Jahren durch helle Esche ersetzt wurde. Farblich passte dieses Holz nicht zum restlichen Interieur, deshalb rissen Parkettleger den Holzboden zu Beginn der Renovierungen heraus.
Jetzt werden die Stadträte ihren Tagungsort wieder auf passendem 200 Quadratmeter umfassendem Eichenparkett betreten.
Wie fortschrittlich die Bauherren des Neuen Rathauses waren, lässt sich an der Möblierung erkennen. Zu den Lehnstühlen in Eichenholz und Leder gearbeitet, kaufte man damals Tische, die mit dem gerade entwickelten, äußert strapazierfähigen Linoleum belegt waren.
Nach Abschluss der Rekonstruktion: Erste Stadtratsitzung am 26. Januar 2011
Während der Interimszeit tagte der Stadtrat Chemnitz in der Aula des Beruflichen Schulzentrums für Technik II in der Schloßstraße. Die erste Sitzung im Stadtverordnetensaal steht nun am Mittwoch, 26. Januar 2011, 15 Uhr, im Terminkalender. Platz nehmen die Stadträtinnen und Stadträte dann auf neuen Eichenstühlen, die dem historischen Abbild aufs Genaueste gleichen. Die 22 Tische wurden restauriert und zusätzlich verdeckt verkabelt, so dass das Gremium ab Frühjahr 2011 elektronisch abstimmen kann. Zudem heben neu eingebaute Mikrofone das Möbel auf einen zeitgemäßen Standard.
Sonnenschutz für Max Klingers Grazien auf dem monumentalen Wandgemälde
Mit Stolz über das Neue Rathaus dürfte Dr. Heinrich Sturm, der zwischen 1908 bis 1917 als Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt Chemnitz lenkte, am 21. September 1911 die erste Sitzung des Gremiums im Stadtverordnetensaal geleitet haben. Ähnliche Themen wie ihre heutigen Kollegen befassten die seinerzeit 54 Ratsmitglieder – heute setzt sich der gewählte Stadtrat Chemnitz aus 60 ehrenamtlich tätigen Chemnitzerinnen und Chemnitzern und der Oberbürgermeisterin als Vorsitzender des Stadtrates zusammen. Anno 1911 forderte eine Petition zum Beispiel die Wiedereinrichtung einer Straßenbahnhaltestelle an der Palmstraße. Auch wurden eine Eingabe gegen die Höhe der Hundesteuer verhandelt und das Programm eines internationalen Kongresses zur Wohnungshygiene vorgestellt. Zudem standen soziale Fragen auf der Agenda, um mit geeigneten Maßnahmen die Notlage der ärmeren Bevölkerung zu mildern.
Beim Bau des Neuen Rathauses musste die Stadt seinerzeit zunächst nicht sparen: Allein 350.000 Mark für den zusätzlichen Ankauf eines Grundstückes bewilligte der Rat 1907 für seine künftige Wirkungsstätte. Erste Kostenschätzungen gingen noch von ca. 1,6 Millionen Mark aus - rund 2,3 Millionen Mark kostete letztlich der Neubau. Ursachen, weshalb das geplante Budget überschritten wurde, waren u.a. komplizierte Baugrundverhältnisse, nachträglicher Einbau einer Gas-Notbeleuchtung und Rückbau des bereits fast fertigen, amphitheaterartigen Bodenaufbaus im Stadtverordnetensaal zu einem ebenen Saalboden. Doch Gemeinsinn der Bürger und kommunale Findigkeit halfen: Man organisierte eine Lotterie zur Finanzierung des Bauvorhabens. Auch wohlhabende Bürger beteiligten sich durch finanzielle Zuwendungen und gestiftete Kunstgegenstände, wie beispielsweise das monumentale Max-Klinger-Wandgemälde „Arbeit – Wohlstand – Schönheit“. Das Kunstwerk wurde vor direkter Sonneneinstrahlung durch Bleiglas-Fenster geschützt, heute durch einen neuen textilen Sonnenschutz.
Zur Rekonstruktion des historischen Stadtverordnetensaales – Zahlen und Fakten
Der Stadtverordnetensaal wurde in 18-monatiger Bauzeit rekonstruiert. Zu den realisierten Leistungen gehören: komplette Neuinstallation von Elektrizität, Heizung und Medientechnik, denkmalpflegerische Aufarbeitung der Wandvertäfelungen, Neuaufbau des Parkettbodens, Neuanfertigung von Stühlen sowie den Möbeln im Präsidiumsbereich, denkmalpflegerische Aufarbeitung Tische, Neubespannung der Wände nach historischem Vorbild, Ergänzung historischer Wandleuchten, Malerarbeiten, Installation moderner Kommunikationstechnik und der Raumakustikanlage, Erneuerung der Fenster. Die Sanierungskosten belaufen sich auf ca. 1.600.000 Euro. Damit wurde der geplante Kostenrahmen eingehalten, was nicht zuletzt unter dem Aspekt der umfassenden Sanierung und Aufarbeitung historischer Innenarchitektur und Einbau komplexer Medientechnik besonders hervorgehoben werden soll.
Die derzeit noch in Arbeit befindliche Sanierung der Fassade des Neuen Chemnitzer Rathauses wird mit Hilfe des Konjunkturprogramms II realisiert – der Gesamtumfang beträgt insgesamt 1.842.000 Euro. Die Realisierung erfolgt in zwei Bauabschnitten, bedingt durch die Mittelausreichung bzw. auf Grund der temperaturabhängigen Winterpause. Die Arbeiten des 1. Bauabschnittes wurden an Nord-, Süd- und Ostfassade weitestgehend fertig gestellt. Die Nordfassade des Rathauses ist komplett abgerüstet – das beeindruckende Ergebnis der Sanierung ist hier bereits zu bewundern: Sehr schön zur Geltung kommen hier auch das intakte Fugenbild, die gesäuberten und sanierten Sandsteine sowie auch der neue Farbanstrich am Giebel des Gebäudes. Der Rückbau der noch stehenden Gerüste begann an der Seite Neumarkt am 18.01.2011 – der Gerüstrückbau erfolgt hier bis auf Höhe Balkon, anschließend erfolgen witterungsabhängig der Aufbau des Schwerlastgerüstes zum Wiederaufbau des Balkons am Stadtverordnetensaal, der Ballustraden und des Balkons an der Südseite sowie die Sanierung der statisch nicht mehr tragenden Außentreppe im Innenhofbereich.
Die Arbeiten des 2. Fassadenabschnittes werden, ebenfalls witterungsabhängig, ab März 2011 realisiert und beginnen mit Einrüstung der noch unsanierten Fassadenteile zur anschließenden Sanierung. Fertigstellung aller Fassadenarbeiten incl. Balkone ist zum 30. Juni 2011 geplant. Mit der Fassadensanierung wird im übrigen keine Schönheitsmaßnahme realisiert, sondern vielmehr gravierende Baumängel am nun 100jährigen Gebäude beseitigt, z.B. fehlende bzw. verschlissene Fugen, defekte Steine. Zu den Baumaßnahmen im und am Neuen Chemnitzer Rathaus gehört auch die Innensanierung in der 3. Etage; diese Arbeiten werden im I. Quartal 2011 beendet. Bereits fertig gestellt und eröffnet wurden nach umfangreichen Umbauarbeiten im Erdgeschoß des Rathauses (an der Seite Markt) die Räume des neuen, zentral gelegenen und barrierefrei erreichbaren Ticketservice.
Informationen, Daten und Fakten:
Festrede der Oberbürgermeisterin
Grußwort des Stadtrates Dr. Eberhard Langer
Informationen des Planers Ronny Wehlend
Informationen der Innenarchitektin Eske Tynior
Faltblatt zum Stadtverordnetensaal „Der Stadtverordnetensaal im neuen Glanz“
Stadt Chemnitz